Ernährung in Deutschland.

Morgens sitzt die ganze Familie glücklich um den Frühstückstisch. Mittags wird frisch mit Zutaten aus dem Hofladen des lokalen Biobauern gekocht. Abends gibt es nur einen leichten, gesunden Salat aus dem eigenen Garten. Und Restaurants sind nur was für den Sonntagsbraten und der Mindestlöhner-Lieferdienst mit dem Fast Food im Gepäck wird niemals angerufen.

Schön wär’s. Aber das Ernährungsverhalten in Deutschland sieht in der Realität natürlich ganz anders aus. Nestlé hat nachgefragt und die Studie „So is(s)t Deutschland 2019“ (https://www.nestle.de/ernaehrungsstudie/hintergrund) zum Ernährungsverhalten der Menschen in Deutschland veröffentlicht, in der einige erwartbare und etliche überraschende Erkenntnisse zu finden sind. Sie vergleicht die Haltung der Befragten zu ihren Essgewohnheiten in den Jahren 2009 und 2019.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie haben wir für Sie zusammengefasst. Hier nun die nicht schongegarte Wahrheit, die alle Gerüchte über Gerichte zunichte macht.

Immer weniger Menschen legen Wert auf mindestens eine warme Mahlzeit am Tag. Wenn man diese mal als die Hauptmahlzeit betrachtet, wird ein weiterer Punkt spannend: Immer weniger Menschen nutzen den Mittag für diese Hauptmahlzeit — inzwischen ist das Abendessen genauso wichtig geworden. Eigentlich nicht verwunderlich, da der Abend für die meisten Berufstätigen vermutlich die einzige Zeit ist, sich mit der Familie länger hin- und auseinanderzusetzen.

Der Zeitmangel im Alltag hinterlässt aber noch mehr Spuren. Laut der Studie kochen die Menschen immer seltener täglich — das regelmäßige Familientreffen um den Küchentisch wird also wahrscheinlich öfter mit Schnittchen oder Backofenpizza bestritten. Wobei wir jetzt mal davon ausgehen, dass das Erhitzen von Fertigprodukten nicht als „Kochen“ gezählt wird.

Und selbst die Regelmäßigkeit des regelmäßigen Familientreffens lässt nach: Feste Essenszeiten werden unwichtiger, die spontane und impulsive Triebbefriedigung durch Essen nimmt zu (genau wie die Menschen). Wir werden zu Gelegenheitsessern: Wir essen bei jeder Gelegenheit. Vielleicht essen auch deshalb immer mehr Leute allein.

Der soziale Aspekt des gemeinsamen Essens scheint den Deutschen aber dennoch wichtig zu sein: Der Besuch von Restaurants wird immer beliebter. An erster Stelle wird dabei als Grund das soziale Erlebnis genannt — das mag zum einen das Gesellige sein, zum anderen aber sicher auch die Inszenierung des Ausgehens als Event mit reichlich Instagramability. Ebenfalls zuträglich ist den Restaurants, dass die Menschen mehr Geld zur Verfügung haben und dies auch gerne für Erlebnisse und nicht mehr nur für Besitztümer ausgeben. Und nicht zuletzt sind Restaurants einfach bequem — kein Kochen, kein Abwasch. Das Ernährungsverhalten in Deutschland wirkt hier also eher wie Arbeitsvermeidungsverhalten.

Ein positiver Trend: Den Hungrigen wird immer wichtiger, dass frische Zutaten verwendet werden. Und sie wollen wissen, was genau im Essen eigentlich drin ist. Bewusste und damit auch gesunde Ernährung gewinnt also immer mehr an Bedeutung. Allerdings weiterhin vor allem bei Frauen. Das Klischee von den Frauen, die am Gemüse knabbern, und den Männern, die sich der Fleischeslust hingeben, trifft also immer noch ins Schwarze der Grillstreifen.

Und leider ist diese Entwicklung zur bewussten Ernährung sogar oft noch Wunschdenken: Laut Studie werden die Vorteile der bewussteren und gesünderen Nahrungsaufnahme zwar theoretisch verstanden, praktisch aber leider nicht umgesetzt. Heißt: Ein Salat wäre natürlich oft die klügere Wahl, aber die Currywurst besitzt eine geradezu sexuelle Anziehungskraft.

Nicht neu, aber in der Auseinanderentwicklung erschreckend ist die Tatsache, dass höhere soziale Schichten die Ernährung (noch) mehr zum Thema machen — Stichwort Essen zur Selbstoptimierung —, niedrigere soziale Schichten dagegen (noch) weniger auf bewusste Ernährung achten.

Eine generelle Tendenz für die Zukunft zeichnet sich aber deutlich ab: Die Ernährung möge bitte noch bequemer und noch zeitsparender stattfinden. Na ja. Wir hoffen mal gegen alle festgestellten Trends, dass das Zelebrieren der Zubereitung und die wertvolle Zeit beim langsamen gemeinsamen Genuss uns noch lange erhalten bleiben.

Das Fazit: Auch wenn das gemeinsame Mahl der Familie und eine bewusste und gesunde Ernährung eine Idealvorstellung der Menschen sind, klaffen Wunsch und Wirklichkeit doch weit auseinander. Aber es ist dennoch tröstlich zu sehen, dass beim Ernährungsverhalten in Deutschland das Essen weiterhin (oder: wieder) einen großen und vor allem positiven Stellenwert hat. Nur eben nicht mehr zu Hause, sondern überall. Immerhin ist aber ein Punkt aus der Utopie am Anfang dieses Textes gar nicht so utopisch gewesen: Der Mindestlöhner-Lieferdienst mit dem Fast Food im Gepäck wird nämlich deutlich seltener angerufen, als man vermuten könnte. Vielleicht wollen viele Menschen das „Essen auf Rädern“ so lange vermeiden, wie es nur geht.

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