Foodisierung und neue Foodcourt Konzepte
Die neuen Foodcourt Konzepte. Eine Inspiration mit Jan Burlon-Baumgärtner
Alle müssen essen. Das ist nicht neu, aber für Kaufhäuser, Shoppingmalls und alle möglichen Ansammlungen von Einzelhändlern eine neue Chance. Denn wo es gutes und spannendes Essen gibt — zum Verzehr und/oder zur Selbstinszenierung fürs Instagram-Profil —, da gehen Leute hin. Leute, die in den benachbarten Shops zu begehrten Kunden werden können.
Gastronomie wird zum Lockstoff des Handels: Diese Synergie nennt sich Foodisierung und damit die neuen Foodcourt Konzepte. Oder auf Deutsch: die Aufwertung einer Konsumumgebung durch die strategische Integration von Gastro-Flächen, die zum Besuch und Verweilen einladen. Das neue Go-to-Food statt Food-to-go.
In Einkaufszentren heißt das dann zum Beispiel Foodcourt. Eigentlich eine gute Idee: Man isst was Schönes, und weil man mit Völlegefühl nicht gleich wieder auf die Straße will, flaniert man noch gemessenen Schrittes an den Läden vorbei und findet vielleicht was mit höherem Stretch-Anteil.
Trotzdem gibt es nur wenige Fälle, wo Foodisierung und die neuen Foodcourt Konzepte wirklich aufgehen und sich für alle Beteiligten vom
Investor bis zum Gastronomen rechnet. Die Rezepturen sind ähnlich und weichen von den seit Jahren dahindümpelnden Versuchen mit den üblichen Fast Food Systemgastro Franchises und Asia-Imbissen mit stapelbarer Plastikbestuhlung unter Neonlicht deutlich ab: kann das neue Foodtopia (http://myzeil-foodtopia.de) im Frankfurter MyZeil an die aktuellen Erfolge anknüpfen?; das an hochwertigem Streetfood orientierte Kantini in Berlin (https://www.bikiniberlin.de/en/kantini/) erfreut sich jedenfalls großer Beliebtheit.
Gestalterisch müssen Räume geschaffen werden, die den Besucher für kurze (oder auch längere) Zeit gefühlt aus dem Einkaufszentrum wegtransportieren in eine Genusswelt, die nicht nur den Gaumen, sondern auch das Auge und das Sitzfleisch erfreut. Eine Richtung ist dabei zum Beispiel die Anlehnung an Markthallen, die sich als eigenständige Kulinarik-Tempel bereits in vielen Städten zum Anlaufpunkt der Foodies entwickelt haben — man denke nur an die in Kopenhagen (https://www.visitcopenhagen.com/copenhagen/gastronomy/torvehallerne), die Markthalle Neun in Berlin-Kreuzberg (https://markthalleneun.de) oder Hobenköök in Hamburg (https://hobenkoeoek.de). Wohin sich die legendäre 6. Etage des KaDeWe in Berlin entwickelt, wird man noch sehen. Und auch ob die aufgebrezelten Foodcourts als Alternative zu den echten Markthallen angenommen werden, wo man sich abends gerne mit Freunden trifft, muss die Zukunft der Foodisierung aber erst noch zeigen.
Aber es sind nicht nur die Pläne der Gastronomen und ihrer Innenarchitekten, die für eine erfolgreiche Foodisierung und neue Foodcourt Konzepte überdacht werden müssen. Auch die Investoren hinter den Einkaufszentren müssen neu denken: Wenn die Ladenzeilen sich
mehr nach 80er-Jahre-Zweckbau und Kunstpalmen in Hydrokulturimitaten anfühlen, wird auch kein nennenswerter Appetit aufkommen, sondern eher eine Fluchtreaktion in das schöne Café mit Community-Table und WLAN-Kuschelecke zwei Straßen weiter. Das Konzept der Foodisierung muss ganzheitlich gedacht werden — hochwertige Gastronomie, ein darauf abgestimmtes hochwertiges Shop-Umfeld (10-Euro-Burger neben dem 1-Euro-Laden? Besser nicht.) und natürlich auch hinsichtlich aller Zielgruppen.
Buchstäblich eine ganz andere Ecke in der Welt der Foodisierung sind die Konzessionsflächen in Tankstellen und Raststätten. Auch hier ist Potenzial da, wie Beispiele wie das „Zum Glück“ in der Autostadt Gelsenkirchen zeigt. Oder „Rewe To Go“ im Verbund mit Aral. Allerdings dürfte im Vergleich zu Einkaufszentren mit ihrer per se längeren Verweildauer der Kunden die Nuss im Stop-and-Go-Bereich deutlich schwerer zu knacken sein. Sicherlich lohnt sich hier ein Blick auf die immer stärker wachsende Foodisierung und neue Foodcourt Konzepte in Flughäfen und Bahnhöfen.
Aber jetzt müssen wir erst mal was essen, bevor wir ein weiteres neues Konzept für Foodisierung entwickeln.